Hadelich in Artern

„Das Bild passt nicht zum Gebäude“, bemängelten die Schüler*innen der Staatlichen Gemeinschaftsschule „Johann Gottfried Borlach“ in Artern. In ihrer Projektwoche beschäftigten sie sich mit dem Mosaik am ehemaligen Schulgebäude in der Straße der Jugend. Einige Schüler*innen des Jahrgangs 9 hatten selbst noch Unterricht im DDR-Schulbau. 2018 zog die Borlachschule aus. Das Gebäude stand zunächst leer, ehe 2020 umfangreiche Umbauarbeiten begannen. 2021 konnten das Landratsamt und das Feuerwehrtechnische Zentrum in das Gebäude einziehen. Weitere städtische Einrichtungen folgten 2022. Das Gebäude bekam in der Umbauphase eine Wärmedämmfassade. Auch das Eingangsportal wurde völlig verändert: der Treppenaufgang ist um ein Drittel gekürzt worden und nur eine von zwei Eingangstüren sind erhalten geblieben. Die zweite Eingangstür wich einem Fahrstuhl. Das Gebäude ist heute kaum wieder zu erkennen.

Auf einem Foto von der feierlichen Eröffnung des Schulgebäudes am 25. August 1972 (noch unter dem Namen Polytechnische Oberschule „Wilhelm Pieck“) ist die symbolische Schlüsselübergabe im Eingangsbereich des Schulgebäudes zu sehen. Hinter den Amtsträgern von Stadt und Schule ist deutlich sichtbar ein detailreiches und aufwendig gestaltetes Mosaik zu erkennen. Das Kunstwerk wurden vom Dessauer Künstlerpaar Irmela Hadelich-Nauck und Martin Hadelich gestaltet. Die Künstler*innen waren bekannt für ihre großflächigen und farbenfrohen keramischen Wandbilder im öffentlichen Raum. Auch für andere Schulen in der DDR haben sie Wandbilder erstellt.

Das dreiteilige Mosaik in Artern besteht aus den Motiven „Wasser“, „Erde“ und „Luft. Neben einer Taucherin und einem Fischer, findet sich im „Wasser“-Motiv auch eine Meerjungfrau. Das Motiv „Luft“ zeigt neben einem Kosmonauten und einer Friedenstaube auch einen Prinz auf einem fliegenden Teppich. Von „Wasser Erde Luft“ ist heute nur noch der Teil „Erde“ am Gebäude geblieben. Das Motiv „Erde“ besteht aus mehreren Figuren: ein Obstpflücker, zwei Schulkinder, ein Fußballer und eine Melkerin mit Baby im Arm. Es zeigt eine ländliche Gemeinschaft, die aufgrund der verschiedenen Hautfarben der Figuren divers erscheint. Die Darstellung ist aus heutiger Sicht nicht unproblematisch, weil sie Stereotype bedient. In der DDR wurde das Motiv als Symbol für Völkerfreundschaft verstanden. Diese Ausgangssituation versprach eine spannende Spurensuche nach „Hadelich in Artern“.

An der Spurensuche beteiligte sich der gesamte Jahrgang 9 der Borlachschule. 44 Schüler*innen und drei Lehrer*innen besuchten am ersten Projekttag die Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße in Erfurt. Am Vormittag bekamen die Schüler*innen eine Führung durch die ehemalige Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Am Nachmittag erarbeiteten sie sich in Kleingruppen das Thema „Kunst in der DDR“ in der Dauerausstellung. Die Schüler*innen eigneten sich bspw. Wissen über den „Sozialistischen Realismus“ an und beschäftigten sich mit verschiedenen wiederkehrenden Motiven und Symbolen dieser Kunstrichtung.

Am Dienstag erforschten die Schüler*innen das Kunstwerk der Familie Hadelich vor Ort. Auch wenn Viele das Kunstwerk kannten, hatten es die Wenigsten bewusst wahrgenommen. Ein Highlight war der Besuch Christine Rammelt-Hadelich. Als Jugendliche hat die Tochter von Irmela Hadelich-Nauck und Martin Hadelich selbst am Kunstwerk mitgearbeitet. In einem Zeitzeug*innengespräch mit ihr und ihrem Mann Olaf Rammelt erfuhren die Schüler*innen interessante Einzelheiten über den künstlerischen Schaffungsprozess, die Kunstinstallation, aber auch ganz allgemeines Wissen über die gesellschaftlichen Lebensumstände in der DDR.

Am Mittwoch begann schließlich die kreative Phase der Projektwoche. Die Schüler*innen konnten sich im Vorfeld für einen von drei Workshops entscheiden: Kunst, Podcast oder Social Media. Unter Anleitung der Leipziger Künstlerin Viktoria Scholz gestaltete eine Gruppe ein eigenes mehrteiliges Mosaik. Die Hadelichs haben für die Herstellung der einzelnen Bestandteile aus Keramik ein Jahr gebraucht. Die Keramikteile wurden dabei mehrfach gebrannt. In nur drei Tagen erstellten die Schüler*innen ein vierteiliges Mosaik aus Modelliermasse. Inspiriert vom Original „Wasser Erde Luft“ entwickelten sie Götterdarstellungen, die in den drei Elementen „zu Hause“ sind. „Erde“ ist im Kunstwerk der Schüler*innen zweimal vertreten.

Die Podcast-Gruppe befragte zahlreiche Arterner Bürger*innen und Lehrer*innen zum Kunstwerk. In ihrer Folge „Hadelich in Artern“ begeben sie sich auf Spurensuche nach der heutigen Rezeption des Kunstwerks. Die Social Media-Gruppe erstellte vielfältigen Content für Instagram: Reels, Beiträge und Stories für eine jugendliche Zielgruppe.  Das Social Media-Team konnte sogar den Verbleib der fehlenden zwei Mosaikplatten aufklären.

Am Freitag erfolgte schließlich die Vorstellung der Arbeitsergebnisse vor der gesamten Projektgruppe, zu der auch die Schulleitung kam. Die Jugendlichen präsentierten einen Ausschnitt aus ihrer produzierten Podcast-Folge, ihre vorbereiteten Posts für Instagram samt Redaktionsplan und ihr eigenes Kunstwerk. Die Schulleitung zeigte sich sehr begeistert von den Ergebnissen und möchte das entstandene Kunstwerk nun erst selbst in der Schule präsentieren, bevor es dann für die geplante Sonderausstellung für einige Monate an die Gedenk- und Bildungsstätte ausgeliehen wird.

Podcast | Ep. 4 – Hadelich in Artern

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Anmerkung: In der Arterner Stadtchronik von Johann Hermann aus dem Jahr 1991 ist als Thema des Bildes „Alle Kinder der Welt brauchen Frieden“ angegeben. Es könnte sich dabei um das Thema des Auftrags handeln. Familie Hadelich hat das Thema nie als Titel verwendet. Christine Rammelt-Hadelich kennt das Kunstwerk nur unter dem Titel „Wasser Erde Luft“.

Straße der Jugend, Artern

NAME DES KÜNSTLERS*

Irmela Hadelich-Nauck & Martin Hadelich

Titel des Kunstwerks, jahr

Wasser Erde Luft, 1972

Technik, Maße

Putzkeramik, ca. 12,5 m²

Projektzeitraum

07.-11. November 2022

Name der schule

Staatliche Gemeinschaftsschule "Johann Gottfried Borlach"

Klasse

9

VORNAMEN DER SCHÜLER*INNEN

Mohammed, Josi, Justin, Jack, Rafael, Celine, Chayenne-Summer, A., S., A., Anthony, Lara, Kim, Lukas, Lara, Lea, Marvin, Leon, Nele, Julian, Alex, Nick, Lava, Salomon, Collin, L., Noi, Lino, Marius, Lena, Leonie, Leonie, Fabian, Louisa, Jannek, Sarah, Henrik, Jannis, Jennyfer, Amelie

Name der Lehrkraft

Frau Pohl, Frau Geisendorf

KÜNSTLER*IN KUNSTPROJEKT

Viktoria Scholz

NAME DER EXPERT*INNEN

Christine Rammelt-Hadelich, Olaf Rammelt

BESONDERER DANK

Andreas Schmölling vom Heimatverein ARATORA e. V.